Sterben im Westminster-Palast ist illegal und andere verrückte Gesetze in Großbritannien
Es gibt viele populäre Gerüchte über verrückte Gesetze im Vereinigten Königreich. So wird zum Beispiel häufig erzählt, dass es illegal sei, im Westminster-Palast in London zu sterben, oder dass es ein Verbrechen sei, eine Briefmarke verkehrt herum auf einen Brief zu kleben.
Das ist freilich nicht wahr und ich werde im folgenden Aufzeigen, woher diese Gerüchte stammen.
Solche lustigen Fakten (oder besser: Fake-News) werden oft in Nachrichten, Medien und im Fernsehen präsentiert:
- UKTV Gold, ein britischer Pay-TV-Sender, listete die skurrilsten Gesetze auf – und wurde dabei sogar von BBC News zitiert.
- The Telegraph veranstaltete eine Abstimmung über solche „dummen Gesetze“.
- Thought Catalog hat eine Liste mit lächerlichen Gesetzen.
- Verrückte Gesetze aus dem Vereinigten Königreich wurden in dem deutschen Buch „Kein Alkohol für Fische unter 16“ von den Rechtsanwälten Rainer Dresen und Anne Nina Schmid aufgelistet.
- Die deutsche Fernsehsendung „Genial Daneben“ stellte fest, dass es „tatsächlich wahr“ sei, dass es ein Verbot gebe im Westminster Palace zu sterben. Trotz meiner Anfrage verzichtete man bei Sat1 auf eine Richtigstellung.
- The Sun lieferte sogar erfundene Gründe, warum es illegal sei, eine Briefmarke auf den Kopf zu stellen.
Im Folgenden werde ich diese Mythen widerlegen.
Im Westminster Palace sterben
Ein solches Gesetz existiert nicht.
Als Grund für dieses (nicht existierende) Gesetz wird üblicherweise angeführt, dass jeder, der in den Houses of Parliament (im Westminster Palast) stirbt, unter die Zuständigkeit des königlichen Leichenbeschauers fällt und Anspruch auf ein Staatsbegräbnis hat. Das ist normalerweise den Königen vorbehalten. Es heißt, dass die Sanitäter den Leichnam eines im Parlament Verstorbenen abtransportieren und die Person erst dann für tot erklären würden, wenn sie sich nicht mehr im Gebäude befindet.
Nach dem Coroners Act von 1988 war der „Coroner of the Queen’s household“ für die Untersuchung eines Todesfalls in einem königlichen Palast zuständig. Dieses Amt wurde jedoch im Jahr 2013 durch Abschnitt 46 des Coroners and Justice Act 2009 abgeschafft. Einen königlichen Leichenbeschauer gibt es gar nicht mehr. Außerdem gibt es natürlich kein Gesetz, das jedem, der in einem königlichen Palast stirbt, ein Staatsbegräbnis gewährt.
Die britische Rechtskommission konnte kein Gesetz ausfindig machen, das ein Sterben im Westminster-Palast verbietet. Darüber hinaus gab es einige Todesfälle auf dem Gelände des Westminster-Palastes, von denen keiner ein Staatsbegräbnis erhielt oder wegen seines Todes strafrechtlich verfolgt wurde:
- Guy Fawkes und Sir Walter Raleigh wurden beide im Hof des Alten Palastes hingerichtet (die heutigen Gebäude sind der Neue Palast, der nach dem Brand von 1834 errichtet wurde).
- Spencer Perceval, der einzige britische Premierminister, der einem Attentat zum Opfer fiel, wurde 1812 in der Lobby des Unterhauses im Westminster Palace erschossen und starb.
- Sir Alfred Billson brach 1907 in der Lobby des Unterhauses zusammen und starb, während er über ein Gesetz zur Zuckersteuer abstimmte.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Sterben im Westminster-Palast im Vereinigten Königreich nicht illegal ist.
Eine Briefmarke verkehrtherum aufkleben
Auch das ist natürlich keine Straftat in UK. Das Gesetz über Hochverrat aus dem Jahr 1848 (Treason Felony Act 1848) stellt jede Handlung mit der Absicht, den Monarchen abzusetzen, unter Strafe.
If any person whatsoever shall, within the United Kingdom or without, compass, imagine, invent, devise, or intend to deprive or depose our Most Gracious Lady the Queen, from the style, honour, or royal name of the imperial crown of the United Kingdom, or of any other of her Majesty’s dominions and countries, […] and such compassings, imaginations, inventions, devices, or intentions, or any of them, shall express, utter, or declare, by publishing any printing or writing or by any overt act or deed, every person so offending shall be guilty of felony, and being convicted thereof shall be liable to be transported beyond the seas for the term of his or her natural life.
[Deutsch:] Wenn irgendeine Person innerhalb oder außerhalb des Vereinigten Königreichs unsere gnädigste Frau, die Königin, des Stils, der Ehre oder des königlichen Namens der kaiserlichen Krone des Vereinigten Königreichs oder irgendeines anderen Herrschaftsgebiets und Landes Ihrer Majestät berauben oder absetzen will, […] und solche Berührungen, Einbildungen, Erfindungen, Vorrichtungen oder Absichten, oder einer von ihnen, durch die Veröffentlichung von Druckerzeugnissen oder Schriften oder durch irgendeine offenkundige Handlung oder Tat ausdrücken, äußern oder erklären, so macht sich jede Person, die sich dessen schuldig macht, eines Verbrechens schuldig und wird, wenn sie verurteilt wird, für die Dauer ihres natürlichen Lebens über die See transportiert.
Die Briefmarken im Vereinigten Königreich zeigen das Abbild der Queen. Aber wenn man eine Briefmarke auf den Kopf stellt, wird der Monarch nicht abgesetzt und selbstverständlich auch nicht herabgewürdigt, so die Erklärung der britischen Rechtskommission.
Das bedeutet, dass es im Vereinigten Königreich nicht illegal ist, eine Briefmarke auf den Kopf zu stellen.
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